Interim Management als spannendes Berufsbild – doch wo sind die Frauen?

Eine Tätigkeit im Interim Management ist sehr vielfältig und herausfordernd zugleich: verschiedene Unternehmen in völlig unterschiedlichen Situationen, andere Branchen, völlig unterschiedliche Entwicklungsphasen (z.B. Restrukturierung, Wachstum etc.), andere Rollen u.v.m.: Erfahrene Experten werden in ihrem jeweiligen Fachgebiet für einen begrenzten Zeitraum von 6 – 18 Monaten mit der Leitung eines wichtigen Unternehmensbereichs (ein ganzes Unternehmen, eine Division, ein Funktionsbereich wie z.B. Einkauf, Produktion, Finanzen, Vertrieb etc.) oder der Projektleitung in einer Organisation betraut. Der Interim-Management-Markt bietet eine gute Option, sich an einem Punkt der Karriere selbstständig zu machen.

Hinzu kommt, dass sich der Markt für Interim Manager in den vergangenen 10 Jahren positiv entwickelt hat. Doch warum sind in diesem Markt vorwiegend Männer anzutreffen? Und warum sind die Frauen hier, wie auch generell in deutschen Führungspositionen, noch deutlich unterrepräsentiert? Derzeit geht man von einem Anteil der weiblichen Interim Managerinnen am Gesamtmarkt von lediglich 10 Prozent aus.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. So ist der Markt für Interim Management trotz seiner enorm positiven Entwicklung für viele Führungskräfte als mögliche Karriereperspektive noch immer recht unbekannt. Zudem machen Frauen sich seltener selbstständig – zumindest in so genannten „Managementberufen“. Und es herrschen noch immer Ängste vor – gerade im Hinblick auf Risiken in der sozialen Absicherung oder beispielsweise in der Altersvorsorge.

Dabei könnte eine Laufbahn im Interim Management in bestimmten Fachrichtungen – etwa IT-, Personal- und Finanzthemen, aber auch im Bereich Logistik, Supply Chain und Einkauf – für viele Frauen ab einem bestimmten Punkt in ihrer Karriere eine sinnvolle Perspektive bieten.

Klar ist, dass die Nachfrage nach Interim Managern und Managerinnen derzeit das Angebot übersteigt. Die Auslastung ist von 70 Prozent vor wenigen Jahren auf über 90 Prozent gestiegen. Woran liegt das? Die deutsche Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen: Umstrukturierung, Anstieg der Energie- und Rohstoffkosten, Personalmangel, neue Technologien, Einführung von ERP-Systemen usw. Um diese Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen, braucht es erfahrene Interim Manager, die sich zeitlich begrenzt um diese Themen kümmern.

Um diese Perspektive näher zu beleuchten, bedarf es einer kurzen Erläuterung des Berufsbilds. „Interim Management ist wie Beratung – aber mit Umsetzen“ sagen viele Manager über ihren Beruf, und sehen diesen häufig auch als Berufung an.

Die Anforderungen sind klar umrissen: Man kommt ins Unternehmen und legt sofort los – das muss man mögen und auch können. Zudem ist soziale Kompetenz hierbei extrem wichtig.

Hinsichtlich der Branchen, in denen man tätig werden kann, gibt es eigentlich keine Begrenzung. Besonders häufig werden die Interim Manager in Konzernen, Start-Ups oder Private-Equity-Konstellationen eingesetzt. Gründe für den Einsatz können die klassische Vakanzüberbrückung (Krankheit, Kündigung, Mutterschutz, etc.), wichtige Projekte, Beratungs- oder Sparringssituationen sein. Und immer mehr liegt das Hautaugenmerk auf Transformation und Restrukturierung in allen Formen.

Doch was muss man eigentlich mitbringen, um in diesem speziellen Segment Fuß zu fassen und erfolgreich zu sein? Zunächst einmal bedarf es viel Erfahrung – 10 bis 15 Jahre in vorherigen Jobs sollten es schon sein. Dies bezieht sich zum einen auf die berühmten Hard- und Softskills, zum anderen für bestimmte Positionen auch auf die Branchenexpertise und auch auf die Art der Organisation. Lust auf selbstständiges Arbeiten, ein gutes Netzwerk, je nach Einsatzgebiet Führungserfahrung, Neugier und viel Flexibilität sind auf jeden Fall eine gute Basis.

Seit einigen Jahren kann nun eine zunehmende Nachfrage nach weiblichen Interim Managerinnen beobachtet werden. Häufig steht dahinter der Wunsch nach einem anderen Führungsstil, der besonders bei Transformationsprojekten einen hohen Stellenwert hat. Frauen überzeugen durch hohe soziale Kompetenz, bringen neue Perspektiven mit ein und fördern etwa Kreativität, Fairness, ganzheitliches Denken und vieles mehr. Sie führen anders – und allein das kann es besser machen.

Außerdem fördern Frauen andere Frauen, was auch ein Vorteil für die Belegschaft ist. Hinzu kommt, dass auch Unternehmen immer diverser werden – und Diversität als integralen Bestandteil der Unternehmenskultur etablieren. Daher suchen sie im Bedarfsfall nach interimistischen Lösungen, die zu ihren Teams und ihrer Führungskultur am besten passen. Häufig ist bei weiblichen Führungskräften auch ein anderes Konkurrenz- und Kommunikationsverhalten zu sehen – was wiederum ein Vorteil für interimistische Einsätze sein kann, in denen es häufig um strukturelles Change Management geht. Im Executive Interim Management wünschen sich zunehmend mehr Kunden explizit eine Frau. Und das nicht nur im HR-Bereich, sondern etwa auch im Bereich Finanzen als Interim Finanzchefin.

Fazit: Gemischte Führungsteams arbeiten erfolgreicher – daher haben Frauen bei gleicher Qualifikation sehr gute Chancen, bei attraktiven C-Level-Positionen oder Projektleiter-Rollen oder auch in Beirats-Mandaten zum Zug zu kommen.

Eva von Rottkay arbeitet als HR Consultant im Bereich Netzwerkaufbau und Managerkommunikation für das Unternehmen Atreus GmbH mit Sitz in München.